Gelungene Einführung eines Talentmanagement-Programms

Interview mit Vorstand Dr. Oliver Schmitzer, verantwortlich für das Personalmanagement der Lebenshilfe Dillenburg e.V.

Dr. Oliver Schmitzer ist seit 2016 geschäftsführender Vorstand bei der Lebenshilfe Dillenburg e.V. und verantwortlich für das Personalmanagement.
 Er promovierte zum Thema „Struktur und Dynamik des Multiprojektmanagements“ am Lehrstuhl für Industriebetriebslehre an der Universität Mannheim. Er war unter anderem als Leiter Projektmanagement-Office bei der Zodiac Aerospace (Premium Galleys) tätig.

Was waren die Hintergründe zur Einführung eines Talentmanagement-Programms?

Dr. Oliver Schmitzer: Wir stehen vor großen Herausforderungen sowohl durch die Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen als auch durch die Auswirkungen des demographischen Wandels. Um für Schlüssel- und Führungspositionen in der Zukunft die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am richtigen Ort zur Verfügung zu haben und als attraktiver Arbeitgeber in der Region wahrgenommen zu werden, haben wir beschlossen, mit professioneller externer Unterstützung ein Entwicklungsprogramm für unsere Potenzialträger zu implementieren, das genau auf die speziellen Bedürfnisse unserer Einrichtung zugeschnitten ist. Da wir bei unserer Unternehmensgröße über eine überschaubare Anzahl von Potenzialkandidatinnen und -kandidaten verfügen und unsere finanziellen Möglichkeiten natürlich auch einer gewissen Beschränkung unterliegen, haben wir mit einer benachbarten Lebenshilfe Gespräche geführt, um durch ein Kooperationsmodell das Projekt in einem für uns wirtschaftlich angemessenen Rahmen zu halten. Wichtig war uns dabei, dass einerseits Synergieeffekte, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, genutzt werden und andererseits die eigenständige Kultur des jeweiligen Unternehmens gewahrt bleibt.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der Einführung des Talentmanagements?

Dr. Oliver Schmitzer: Folgende 6 Ziele waren uns und der benachbarten Lebenshilfe wichtig:

Erstens: Identifizierung, Entwicklung und Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Potenzial haben, Schlüsselpositionen im Unternehmen einzunehmen, (sowohl Führungskräfte als auch Spezialisten).

Zweitens: Die Schlüsselstellen im Unternehmen sollen kontinuierlich und qualitativ gut besetzt sein.

Drittens: Mitarbeiter sollen fit sein, um Veränderungsprozesse mitzugestalten.

Viertens: Die „Karrieremöglichkeiten“ und die entsprechenden Stellen im Unternehmen sollen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transparent sein.

Fünftens: Die neuen Entwicklungsmöglichkeiten sollen zur Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Bindung an das Unternehmen beitragen. 

Und zum Schluss: Das Talentprogramm soll die Außenwirkung unserer Einrichtung als attraktiver Arbeitgeber unterstützen.

Wie haben Sie für Ihre Einrichtung den Begriff „Talent“ definiert?

Dr. Oliver Schmitzer: Basierend auf unseren Unternehmenszielen haben wir in Workshops mit unseren oberen Führungskräften die notwendigen Kompetenzanforderungen und die genaue Definition der Talente für die Zukunft erarbeitet und daraus Kompetenzprofile mit Anforderungskriterien für Potenzialträger abgeleitet. Der Anforderungskatalog bildet die Grundlage für die Selbst- und Fremdeinschätzung der Kandidatinnen und Kandidaten und anschließend für das Auswahlverfahren der Potenzialkandidaten und deren individuelle Lernzielbestimmung im Förderprozess.

Neben der Definition der Anforderungskriterien war uns sehr wichtig, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich schon in der Vergangenheit durch großes Engagement, Verantwortungsbewusstsein oder hohe Sozialkompetenz ausgezeichnet haben, an dem Programm teilnehmen können.

Der Wille sich selbst und sein potenzielles Team in der Zukunft zu entwickeln oder sein Fachthema als Experte voranzureiben, waren für uns wesentliche Eingangsvoraussetzungen.

Wie haben Sie Ihre Talente identifiziert?

Dr. Oliver Schmitzer: Zum einen konnten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst für das Talentprogramm nominieren. Dadurch konnten sie selbst auf sich aufmerksam machen und waren unabhängiger von der Einschätzung der Führungskraft. Zum anderen haben natürlich auch Führungskräfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgeschlagen. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter objektiv zu bewerten, durchliefen die nominierten Kandidatinnen und Kandidaten ein auf unsere Anforderungen zugeschnittenes Assessment-Center.

Was passiert mit den TN, die nicht ausgewählt wurden?

Dr. Oliver Schmitzer: Die Kandidatinnen und Kandidaten, die nicht ausgewählt wurden, erhielten in einem ausführlichen Feedbackgespräch einen persönlichen Entwicklungsplan, mit einer genauen Definition ihrer Lernziele sowie entsprechender Personalentwicklungsmaßnahmen. Z.B. fördern wir aktuell eine Kandidatin in ihrem Fachthema weiter. Sie entwickelt sich gerade zur Spezialistin. Wir überlegen, wie wir sie organisationsseitig am besten einsetzen können.

Kandidaten, die wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht reif für ein Talentprogramm hielten, dürfen sich mit entsprechender Förderung im nächsten Auswahlverfahren erneut vorstellen.

Welche Karrierewege gibt es am Ende des Programms?


Dr. Oliver Schmitzer: 
Unser Talentprogramm ist sowohl für Führungspositionen sowie für Fachpositionen gedacht. Wir gehen in unserem Talentprogramm thematisch in die Breite, wie z.B. mit Themen zur Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation, Konfliktmanagement, Moderations- und Besprechungstechnik sowie Themen zu den Grundlagen der Führung.

Wir wollen in naher Zukunft Spezialisten ausbilden, die von der Gesamteinrichtung als Experten gerufen werden können. Die Strukturen haben wir zurzeit noch nicht, aber in den nächsten Jahren wollen wir Spezialistenstellen einrichten, die für unsere Organisation enorm wichtige Entwicklungsarbeit leisten werden.

Wie stellen Sie den Praxisbezug her? Wie schlagen Sie die Brücke in die Praxis?


Dr. Oliver Schmitzer:
Wir haben das große Glück, dass alle unsere Kandidatinnen und Kandidaten jetzt schon in einer Stellvertreterfunktion sind. Da lassen sich die Themen des Talentprogramms direkt leben und üben. Darüber hinaus verbinden wir die Präsenzmodule mit lernbegleitenden Elementen, wie z.B. Lerngruppen, Umsetzung der Transferaufgaben, Hospitationen und der Bearbeitung eines unternehmensrelevanten Projektes, das am Ende des Programms vor dem Vorstand präsentiert und diskutiert wird.

Des Weiteren kommt den begleitenden Führungskräften eine besondere Bedeutung zu. Vor dem Start des Talentprogramms haben wir genau festgelegt, welche Erwartungen wir an unsere Führungskräfte bzgl. der Begleitung unserer Talente haben. Rolle und Aufgaben wurden in einem Transferkonzept genau definiert.

Wie war die Haltung gegenüber der Einführung eines Talentprogramms?


Dr. Oliver Schmitzer:
Zu Anfang war die Skepsis groß. Was heißt Talent? Wo soll die Reise hingehen? Wie wird sich unsere Kultur dadurch verändern? Werden einzelne Personen auf einen Sockel gehoben? Wie wird es denjenigen gehen, die nicht genommen wurden? Kommen die verbrannt aus dem Auswahlverfahren raus? Durch Infoveranstaltungen und Workshops mit den Vorgesetzten konnten wir die Bedenken überwiegend ausräumen.
Die Transparenz des Gesamtverfahrens hat dazu beigetragen, dass heute die Rückmeldungen aus der breiten Masse durchweg positiv sind. Jeder weiß, warum er genommen wurde oder nicht. Und dass es alternative Angebote gibt.

 

Mit diesem Rahmenprogramm verankern wir die Module in der Praxis:

  • Hospitationen
  • Unternehmensrelevante Projektarbeit
  • Vor- und Nachbereitungsaufgaben
  • Lerngruppen
  • Kaminabende mit den Vorständen

Fazit: Wie bewerten sie heute das Programm? Hat sich die Einführung gelohnt?

 

Dr. Oliver Schmitzer: Auf jeden Fall ein klares JA! Es ist eingetreten, was wir uns gewünscht haben. Wir haben bei uns den Idealfall, dass alle Kandidaten sich weiterentwickeln können. Alle werden in absehbarer Zeit verantwortungsvolle Positionen innehaben. Das ist natürlich der Idealfall, dass wir allen etwas persönlich anbieten können und somit beiden Seiten gerecht werden.

Ich führe regelmäßig Feedbackgespräche mit unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern und sehe beträchtliche persönliche Entwicklungen. Waren Teilnehmer am Anfang noch zurückhaltend, skeptisch und argwöhnisch dem Programm gegenüber – Was passiert da? Was wird da mit mir gemacht? Welche Führungskultur wird sich hier entwickeln? – gehen sie heute offen und positiv an die Themen heran und reflektieren ihre eigene Entwicklung.

Welche drei Empfehlungen geben Sie anderen Einrichtungen bei der Einführung eines Talentmanagement-Programms?

Dr. Oliver Schmitzer: Erstens: Ganz entscheidend ist ein transparentes Auswahlverfahren. Es muss ganz klar sein, warum Mitarbeiter ausgewählt wurden und warum nicht oder noch nicht. Es muss dazu eine ganz klare Rückmeldung geben und einen persönlichen Entwicklungsplan.

Zweitens: Am Anfang muss das Gesamtprogramm sehr intensiv kommuniziert werden. Das haben wir noch zu wenig gemacht. Es gab zwar eine Infoveranstaltung, aber wir hätten noch mehr in die Tiefe gehen müssen und alle Hierarchieebenen mit einbeziehen müssen. 

Drittens: Wir hätten klarer kommunizieren müssen, dass wir uns sowohl auf Führungspositionen als auch auf Expertenpositionen fokussieren wollen. Das ist uns nicht so gut gelungen.

Es gibt immer noch Stimmen, die sagen, dass vieles auf Führung ausgerichtet ist, obwohl dies definitiv nicht der Fall ist. Die Module sind genauso hilfreich für die Rolle des Spezialisten. Es braucht eine sehr klare Kommunikation, dass es nicht nur um Führung geht, sondern auch um die Entwicklung von Spezialisten. Das ist nicht immer klar raus gekommen. Wir haben zu oft über Führung gesprochen. In der Infoveranstaltung hätten wir expliziter sagen müssen, dass die Inhalte genauso für Spezialisten geeignet sind.

 

Was sagen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Talentprogramm?

Dr. Oliver Schmitzer: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer empfinden den trägerübergreifenden Austausch als sehr wertvoll. Sie freuen sich darüber, wie die Gruppe zusammengewachsen ist.

Die Hospitationen, also in einen anderen Träger hinein zu schnuppern, werden als sehr bereichernd für ihre eigene Arbeit wahrgenommen.

Das gleiche gilt für die Präsenzmodule, deren Inhalte als sehr hilfreich empfunden werden und eins zu eins im Arbeitsalltag anzuwenden sind. Die Inhalte haben Denkprozesse in Gang gesetzt und die Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Persönlichkeit haben ganz viele AHA-Erlebnisse ausgelöst

Darüber hinaus bewerten alle das transparente Auswahl-verfahren mit „ganz toll“ – ebenso das klare und begründete Feedback zu ihrer Auswahl und die Entwicklungsmöglichkeiten, die sich aufgetan haben.

Und zu guter Letzt: Alle sind jetzt schon wehmütig, dass das Talentprogramm bald zu Ende ist. Die Teilnehmer denken jetzt schon darüber nach, wie sie sich eigenverantwortlich auch nach dem Programm weiter austauschen können und haben darüber hinaus Ideen, welche Inhalte sie mit Unterstützung der externen Trainerin weiter vertiefen müssten.
Das Programm strahlt jetzt schon eine Nachhaltigkeit aus. Es wird für alle sichtbar, dass wir daran interessiert sind, unsere Talente in Führungs- oder Spezialistenpositionen zu bringen.

Das alles zeigt uns, dass wir vor ca. 1,5 Jahren die richtige Entscheidung getroffen haben, unsere Potenzialträger systematisch zu fördern und damit unsere Einrichtung noch attraktiver und zukunftsfähiger ausgerichtet haben.

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